Längst vergessen oder auf ewig in Erinnerung: Wieso wir uns nicht alles merken können

An den Kuchen zu Ihrem 18. Geburtstag können Sie sich noch gut erinnern, aber was es letzten Sonntag zu essen gab, fällt Ihnen nicht mehr ein? Oder sind es Passwörter, Namen oder auch Geburtstage, die Sie sich nur schlecht merken können? Vergesslichkeit kann schon ärgerlich sein – sie ist allerdings notwendig. Denn: Vergessen hilft uns dabei, Unwichtiges von Wichtigem zu trennen, Probleme zu lösen und abstrakt zu denken. – oder wie der Psychologe William James es so schön ausdrückte: „Wenn wir uns an alles erinnern würden, wären wir genauso krank, wie wenn wir uns an nichts erinnern würden".

Wieso also erinnern wir uns an manche Dinge und an andere nicht? Was haben Emotionen mit dem Gedächtnis zu tun? Und wieso können uns unsere Erinnerungen trügen? Wir finden es heraus!


Das selektive Gedächtnis

Nicht alle Informationen werden in unserem Gedächtnis gleich verarbeitet. So können wir uns an bestimme Dinge erinnern, als wären sie gestern geschehen. Und das, was wiederum gestern geschehen ist, fällt uns nicht ein. Ob wir uns an ein Ereignis erinnern, hängt ausschlaggebend mit der Sinneserfassung der jeweiligen Information zusammen. Je mehr Sinne an der Wahrnehmung einer Information beteiligt sind, desto besser kann das Gedächtnis diese verarbeiten und speichern. Wir merken uns so zum Beispiel einen Begriff leichter mit einem dazugehörigen Bild oder einen Ort mit dem dazugehörigen Duft. Daneben sorgen auch Wiederholungen dafür, dass sich eine Erinnerung in unserem Gedächtnis besser festigt.
Aber auch die sogenannte kognitive Dissonanz kann einen Einfluss auf unsere Erinnerungen haben. Gehen wir beispielsweise davon aus, Sie haben eine Entscheidung getroffen, mit der Sie nicht zufrieden sind. Ihr Gedächtnis möchte diese negative Information allerdings nicht einfach so hinnehmen und sucht deshalb einen Weg, um die Situation anders darzustellen – sie zu rechtfertigen. So geschieht es, dass die Erinnerung im Laufe der Zeit an Negativität verliert, bis sie Ihr Gedächtnis völlig davon überzeugt hat, dass Sie die einzig richtige Entscheidung mit Ihrem Handeln getroffen haben. Dass das Gedächtnis zur Selektion neigt, dient dabei zum Selbstschutz. Denn: Indem wir unsere Erinnerungen verzerren, helfen wir dem Gedächtnis, negative oder schmerzhafte Erinnerungen zu verarbeiten.1


Erinnern und Emotionen

Die eigene Hochzeit oder die Geburt des ersten Kindes – es gibt Dinge, an die man sich ein ganzes Leben lang erinnert. Das Stichwort hierbei lautet: Emotionen. Denn diese wirken sich auf das Erinnern aus. Das liegt daran, dass emotionale Erlebnisse, wie z. B. die eigene Hochzeit, intensiver bzw. lebendiger wahrgenommen und deshalb gut vom Gedächtnis aufgenommen werden. Allerdings kann Emotionalität die Erinnerungsleistung auch negativ beeinflussen: So wirkt sich starke emotionale Erregung, wie z. B. Stress, nachteilig auf das Erinnerungsvermögen aus. Daher erinnern wir uns häufig nicht an stressige Situationen, wie ein Bewerbungsgespräch oder Prüfungssituationen, zurück. Die Frage, ob sich eher eine Erinnerung mit positiven oder negativen Emotionen durchsetzt, ist hingegen gar nicht so leicht zu beantworten. Auch wenn die Meisten wahrscheinlich davon ausgehen würden, dass sich negative Erfahrungen stärker in das Gedächtnis einbrennen. Vergleicht man jedoch positiv besetzte Erfahrungen, wie z. B. eine Hochzeit, mit den alltäglichen Ärgernissen, so ist es wahrscheinlicher, dass man sich an das positive Ereignis besser erinnern kann. Maßgeblich für starke Erinnerungen bleiben jedoch die Intensität des Ereignisses und wie emotional erregend es war.2


Falsche Erinnerungen

Unser Gedächtnis steht unter vielen Einflüssen und kann uns daher – wenn auch unabsichtlich – belügen. So können selbst Aussagen von Augenzeugen nicht immer der vollen Wahrheit entsprechen. Das liegt nicht daran, dass die Augenzeugen lügen, sondern sich schlichtweg falsch erinnern oder entscheidende Fakten unbewusst verdrängen. Auch die Wahrnehmung durch Dritte kann die eigene Erinnerung beeinflussen. Dabei wird anderen Personen eine bessere Einschätzungsgabe zugetraut oder innerhalb einer Situation kann der reale Hergang nicht mehr von der persönlichen Einschätzung getrennt werden. Deshalb werden Zeugen bei einer Vernehmung voneinander getrennt befragt. So lässt sich vermeiden, dass sie sich gegenseitig mit Falschinformationen versorgen und die eigene Erinnerung manipuliert wird.3


Dass Erinnerungen besser gespeichert werden, je mehr Sinne involviert sind, haben wir nun gelernt. Welche Rolle der Geruchssinn bzw. Düfte innerhalb der Entwicklung von Erinnerungen spielen, erfahren Sie hier.

Düfte wecken Erinnerungen



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