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Bewegung für Körper und Geist
Viele Aktivitäten stärken Gehirn und Gedächtnis
Um auf Trab zu bleiben, benötigt unser Gehirn ständig neue Anregungen. Wer körperlich und geistig aktiv ist und dazu noch soziale Kontakte pflegt, liefert seinen Nervenzellen (Neuronen) diese wichtigen Impulse. So können auch im erwachsenen Gehirn neue Neuronen gebildet werden. Die aktuelle Hirnforschung beschäftigt sich intensiv mit der Neubildung der Nervenzellen (Neurogenese) und den Aktivitäten, die sie fördern. Passend dazu liefern wir Ihnen jede Menge praktischer Ratschläge für einen aktiven Alltag!
Erneuerung bis ins hohe Alter
Schwedische Forscher haben erstmals 1998 Belege für die Neurogenese bei Erwachsenen gefunden1, im sogenannten Hippocampus. Dieser Bereich liegt in der Mitte des Gehirns in Höhe der Augen und ist wichtig für das Lernen und die Gedächtnisbildung. Eine aktuelle Studie spanischer Wissenschaftler zeigt, dass bei erwachsenen Menschen dort zahlreiche Nervenzellen in unterschiedlichen Entwicklungsstadien vorliegen, und das sogar bei knapp 90-Jährigen – das heißt, dass in jedem Alter neue Neuronen im Gehirn gebildet werden2. Die spannende Frage: Lässt sich dieser Prozess beeinflussen, und wenn ja, wie?
Neurogenese im Laufschritt
Körperliche Bewegung ist die wichtigste Einzelmaßnahme, um die Neurogenese zu fördern – zumindest bei Mäusen. Bei erwachsenen Nagern, die mit Begeisterung das Laufrad nutzen, steigt die Zahl der Hirnzellen geradezu explosiv an. Auch Tiere, die mit ihren Artgenossen interagieren und zahlreiche Spielmöglichkeiten gebrauchen, bilden viele neue Nervenzellen aus. Diese neuen Zellen überleben allerdings nur, wenn die Nager körperlich aktiv bleiben. Werden Mäuse im Experiment zur Bewegung gezwungen, ist kein positiver Effekt messbar, genauso bei inaktiven Tieren ohne soziale Kontakte3.
Regelmäßig moderat trainieren
Noch sind diese Erkenntnisse zur Neurogenese auf das Labor beschränkt. Dass sich sportliche Aktivität bei Menschen positiv auf die geistige Leistungsfähigkeit auswirkt, ist jedoch wissenschaftlich belegt4. Regelmäßige Bewegung fördert die Durchblutung des Gehirns. Daher ist ein maßvolles Ausdauertraining zu empfehlen, beispielsweise schnelles Gehen oder Nordic Walking. Auch Aerobic, Schwimmen, Fahrradfahren, Bergwandern, Tanzen und Tennisspielen sind geeignet. Trainieren Sie eine Sportart, die Ihnen Freude bereitet – das steigert Motivation und Effektivität!
Gemeinsam sportlich aktiv sein
Ideal ist es, wenn Sie sich mit Trainingspartnern zusammentun oder einem Sportverein beitreten. So können Sie sich gegenseitig motivieren und profitieren von den positiven Wirkungen sozialer Kontakte auf Gehirn5,6, und gute Laune. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt, sich mindestens zweieinhalb Stunden wöchentlich zu bewegen7. Sie sollten dabei ins Schwitzen geraten, sich aber trotzdem noch gut unterhalten können. Sprechen Sie vor Trainingsbeginn am besten mit Ihrem Arzt.
Bewegter durch den Alltag
Auch mit kleinen Maßnahmen im Alltag können Sie aktiver werden, angepasst an Ihre persönliche Lebenssituation:
- Nehmen Sie die Treppe statt den Fahrstuhl
- Erledigen Sie alltägliche Besorgungen zu Fuß
- Auf dem Weg nach Hause mit Bus oder Bahn: Steigen Sie eine Station früher aus und laufen Sie das letzte Stück
- Sie sitzen viel? Lassen Sie die Schultern kreisen, vertreten Sie sich die Füße und machen Sie Dehnübungen
- Gehen Sie regelmäßig spazieren und entdecken Sie neue Wege, indem Sie einmal die Richtung wechseln
Frischer Wind für den Geist
Geistige Aktivitäten und soziale Kontakte wirken sich ebenfalls positiv auf das Gehirn aus und können Demenzerkrankungen entgegenwirken8. Je abwechslungsreicher die Beschäftigungen, desto besser9,10. Hier unsere Ideen für eine aktive Lebensgestaltung:
- Pflegen Sie Ihre Hobbys und entdecken Sie neue Steckenpferde
- Belegen Sie zum Beispiel einen Sprachkurs oder buchen Sie gleich einen Sprachurlaub
- Genießen Sie Kunst und Kultur, besuchen Sie Museen, Ausstellungen, Theater, Konzerte
- Engagieren Sie sich ehrenamtlich, beispielsweise als Vorleser im Kindergarten oder in der Telefonseelsorge
- Machen Sie sich für Umwelt und Tierschutz stark – säen Sie bienenfreundliche Pflanzen im Garten, werden Sie als Hobbyimker tätig
- Entfalten Sie Ihre kreative Ader, indem Sie fotografieren, zeichnen, malen, töpfern, bildhauern, basteln … stöbern Sie doch mal im Programm von Volkshochschule und Museen
- Es ist nie zu spät, um im Chor zu singen, ein Instrument zu lernen oder sich einer Laienschauspieltruppe anzuschließen – probieren Sie es aus!
- Belegen Sie einen Computerkurs und erweitern Sie Ihre Kenntnisse in den digitalen Medien
- Lösen Sie Rätsel und Sudoku, puzzeln Sie, spielen Sie Gesellschaftsspiele mit Familie oder Freunden
- Unternehmen Sie Ausflüge und reisen Sie – Orte mit spannender Geschichte und interessanten Sehenswürdigkeiten gibt es praktisch überall, ebenso Naturoasen zum Krafttanken
- Entdecken Sie die Vielfalt der gesunden Küche, z. B. bei einem vegetarischen Kochkurs
Aktiv lesen und lernen
Der englische Dichter Joseph Addison sagte: „Lesen ist für den Geist, was Gymnastik für den Körper ist.“ Lesen hält geistig aktiv und liefert Gesprächsstoff. Schulen Sie Konzentration, Wortschatz und Gedächtnis durch tägliche Lektüre. Ob Bücher, Zeitschriften oder Zeitung – wichtig ist, dass der Inhalt Sie wirklich interessiert. Historischer Roman, Sachbuch, Krimi, Biografie: Wechseln Sie immer wieder das Genre und fassen Sie das Gelesene im Geiste zusammen. Warum nicht einem Literaturkreis beitreten oder selbst einen gründen? Der Austausch mit Gleichgesinnten wird Sie beflügeln! Menschen mit Sehschwierigkeiten können auf Bücher in Großdruck zurückgreifen. Hörbücher und Podcasts bieten weitere Möglichkeiten, auf dem Laufenden zu bleiben.
Sprache mal ganz spielerisch
Sprache und Konzentration lassen sich übrigens spielerisch im Alltag trainieren, zum Beispiel so:
- Schreiben Sie als Rechtshänder mal mit links und umgekehrt
- Nehmen Sie sich eine Buchseite oder einen Zeitungsartikel vor und lesen Sie den Text „auf den Kopf gestellt“
- Bestimmen Sie einen Buchstaben und streichen Sie ihn aus allen Wörtern eines Zeitungsartikels heraus
- Bilden Sie Wortketten aus zusammengesetzten Wörtern, bei denen der letzte Teil eines Wortes am Beginn des nächsten Wortes steht: Apfelbaum – Baumhaus – Hausmeister etc.
- Bilden Sie möglichst sinnvolle Sätze aus fünf Wörtern, die alle mit dem gleichen Buchstaben beginnen: „Sandra sucht samstags saftige Süßkirschen.“
Auch Ruhe stärkt das Gedächtnis
Entspannung und ein regelmäßiger Schlaf wirken sich ebenfalls positiv auf die Gedächtnisleistung aus11,12. So kommen Sie besser zur Ruhe:
Mit der richtigen Balance von Aktivität und Entspannung tun Sie Körper, Seele und Gehirn viel Gutes – wir wünschen Ihnen viel Spaß dabei!
Mehr zum aktuellen Stand der Hirnforschung
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Quellen
1 Eriksson PS, Perfilieva E, Björk-Eriksson T, Alborn AM, Nordborg C, Peterson DA, Gage FH. Neurogenesis in the adult human hippocampus. Nat Med. 1998 Nov;4(11):1313-7.
2 Moreno-Jiménez EP, Flor-García M, Terreros-Roncal J, Rábano A, Cafini F, Pallas-Bazarra N, Ávila J, Llorens-Martín M. Adult hippocampal neurogenesis is abundant in neurologically healthy subjects and drops sharply in patients with Alzheimer's disease. Nat Med. 2019 Apr;25(4):554-560.
3 van Praag H, Kempermann G, Gage FH. Running increases cell proliferation and neurogenesis in the adult mouse dentate gyrus. Nat Neurosci. 1999 Mar;2(3):266-70. Zugriff am 06.08.2019 unter https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/10195220.
4 Ngandu T, Lehtisalo J, Solomon A, Levälahti E, Ahtiluoto S, Antikainen R, Bäckman L, Hänninen T, Jula A, Laatikainen T, Lindström J, Mangialasche F, Paajanen T, Pajala S, Peltonen M, Rauramaa R, Stigsdotter-Neely A, Strandberg T, Tuomilehto J, Soininen H, Kivipelto M. A 2 year multidomain intervention of diet, exercise, cognitive training, and vascular risk monitoring versus control to prevent cognitive decline in at-risk elderly people (FINGER): a randomised controlled trial. Lancet. 2015 Jun 6;385(9984):2255-63.
5 Bittner N, Jockwitz C, Mühleisen TW, Hoffstaedter F, Eickhoff SB, Moebus S, Bayen UJ, Cichon S, Zilles K, Amunts K, Caspers S. Combining lifestyle risks to disentangle brain structure and functional connectivity differences in older adults. Nat Commun. 2019 Feb 6;10(1):62.
6 fz-juelich.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/UK/DE/2019/2019-02-19-lebensstilgehirn.html. Zugriff am 06.08.2019.
7 World Health Organization: Global recommendations on physical activity for health (2010). Zugriff am 09.08.2019 unter https://www.who.int/dietphysicalactivity/publications/9789241599979/en/.
8 Deuschl G, Maier W et al. S3-Leitlinie Demenzen. 2016. In: Deutsche Gesellschaft für Neurologie, Hrsg. Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Zugriff am 06.08.2019 unter https://www.dgn.org/images/red_leitlinien/LL_2016/PDFs_Download/038013_LL_Demenzen_2016.pdf.
9 deutsch.medscape.com/artikelansicht/4905425. Zugriff am 06.08.2019.
10 Küster OC, Fissler P, Laptinskaya D et al. Cognitive change is more positively associated with an active lifestyle than with training interventions in older adults at risk of dementia: a controlled interventional clinical trial. BMC Psychiatry. 2016; 16(1): 315. Zugriff am 06.08.2019 unter https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5016950/.
11 www.biologie.de/index.php. Zugriff am 06.08.2019.
12 Diekelmann S, Born J. The memory function of sleep. Nat Rev Neurosci. 2010 Feb;11(2):114-26. Zugriff am 06.08.2019 unter www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20046194.