Forschung für ein gutes Gedächtnis

Immer mehr Menschen in unserer Gesellschaft erfreuen sich eines langen Lebens. Um auch mit steigendem Alter eine hohe Lebensqualität zu genießen, ist es wichtig, körperlich und geistig beweglich zu bleiben. Immer mehr wissenschaftliche Studien fragen daher nach den Lebensgewohnheiten, die unsere grauen Zellen auf Trab halten und wie man Demenzerkrankungen möglicherweise aufhalten kann.

Die gute Nachricht: Vieles spricht dafür, dass wir die Alterungsprozesse des Gehirns positiv beeinflussen können. Auch Menschen, die bereits Gedächtnisschwächen haben, können dagegen aktiv angehen – das zeigen die Forschungsergebnisse.


Freizeit vielseitig gestalten


Ein abwechslungsreiches Freizeitprogramm verbessert die allgemeine geistige Leistungsfähigkeit und insbesondere die Gedächtnisleistung. Das ist das Ergebnis einer Studie der Universitätsklinik Ulm, die 65 Teilnehmer mit Gedächtnisproblemen im durchschnittlichen Alter von 71 Jahren über 22 Wochen untersuchte.1 Als entscheidend für die geistige Fitness erwies sich die Vielfalt der Aktivitäten: Ob Lesen, Radfahren oder Ehrenamt, je vielseitiger die körperlichen und geistigen Beschäftigungen, desto besser war die geistige Leistung.

Dass insbesondere Tanzen das Risiko für eine Demenzerkrankung senken kann, belegt eine Langzeitstudie des Albert Einstein College in New York. Sie liefert eindrucksvolle Daten von 469 Studienteilnehmern über einen Zeitraum von 21 Jahren: Bei Menschen, die regelmäßig tanzten, war das Demenzrisiko stark reduziert. Auch Kreuzworträtsel-Fans und eifrige Leser wiesen ein niedrigeres Risiko auf.2

Unser Rat: Bleiben Sie neugierig! Pflegen Sie Ihre Hobbys und probieren Sie regelmäßig etwas Neues aus. Inspiration gesucht? Belegen Sie einen Sprach-, Fotografie- oder Malkurs, singen Sie im Chor, besuchen Sie Theatervorstellungen, Ausstellungen und Publikumsmessen, die Ihren Interessen und Neigungen entsprechen. Ideen und Impulse kommen dann von selbst!

Trainieren Sie Ihr Gedächtnis!


Einen gesunden Lebensstil genießen


Eine gesunde Ernährung mit Lebensmitteln, die viele Omega-3-Fettsäuren enthalten, wirkt sich positiv auf die Funktion der Nervenzellen aus.3 Krankhaftes Übergewicht hingegen führt einer aktuellen Studie zufolge offenbar zum Abbau von Hirnmasse. Niederländische Forscher werteten die Gehirnscans von mehr als 12.000 Männern und Frauen aus.4 Das Ergebnis: Teilnehmer mit krankhafter Fettsucht (Adipositas) wiesen verminderte Volumen der grauen Hirnsubstanz auf. Die Wissenschaftler vermuten, dass sich Entzündungsreaktionen, die durch die Adipositas ausgelöst werden, auch auf die Nervenzellen im Gehirn auswirken.

Körperliche Bewegung fördert die Durchblutung des Gehirns und hat einen positiven Effekt auf die geistige Leistung, insbesondere in Verbindung mit Gehirntraining und einer gesunden Ernährung. Das zeigt auch eine Studie, die in Schweden und Norwegen mit 1.200 Menschen zwischen 60 und 77 Jahren durchgeführt wurde.5 Dabei absolvierte die Hälfte der Teilnehmer ein intensives Übungsprogramm für die geistige Leistung, erhielt regelmäßiges Kraft- und Ausdauertraining und stellte die Ernährung um. Die Kontrollgruppe hörte nur drei Vorträge über gesunde Verhaltensweisen. Nach einem Jahr wurde bei den aktiven Teilnehmern ein Anstieg der geistigen Leistungsfähigkeit um 25 % gemessen. Die Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung nahm sogar um 150 % zu.5,6

Tipps für eine gesunde Ernährung


Gesundheitliche Risikofaktoren kontrollieren


Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) empfehlen in ihren Leitlinien zur Vorbeugung von Demenzerkrankungen regelmäßige Bewegung. Ebenso wichtig ist es, Faktoren wie Diabetes und Bluthochdruck im Auge zu behalten und sie rechtzeitig zu behandeln, da sie mit einem erhöhten Demenzrisiko einhergehen.6,7,8

Letzteres gilt auch für das Rauchen, denn Tabak schädigt das Gehirn gleich doppelt: Auf direktem Wege durch giftige Substanzen und indirekt durch die Schädigung der Blutgefäße.7 Alkohol sollte man nur in Maßen genießen, denn ein hoher Alkoholkonsum führt nachweislich zum Gehirnabbau und Verlust von Nervenzellen.9,10

Weitere Informationen zu Risikofaktoren und vorbeugenden Maßnahmen


Einfach mal abschalten


Neben körperlicher und geistiger Aktivität sind es auch Momente der Ruhe, die sich positiv auf die Gedächtnisleistung auswirken. Das berichten Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und der Universität Bonn. Sie haben Probanden verschiedenen Gedächtnistests unterzogen und ihre Gehirnaktivität – auch in Ruhephasen und beim Mittagsschlaf – gemessen. Demnach helfen Entspannungspausen und kleine Nickerchen, Lerninhalte zu speichern und Erinnerungen zu verfestigen.11

Öfter abschalten: Das gilt genauso für den Fernseher. Die Autoren einer Studie des University College in London sehen einen direkten Zusammenhang zwischen der Dauer des täglichen Fernsehkonsums und dem Wortgedächtnis, also der Erinnerung an Formulierungen, Anweisungen oder Zitate. Die Untersuchung mit rund 3.500 Studienteilnehmern im Alter von über 50 Jahren zeigte einen Rückgang des Wortgedächtnisses ab einem täglichen TV-Konsum von 3,5 Stunden.12

Wie funktioniert unser Gedächtnis?


Freundschaften auf gleicher Wellenlänge


Ein Gruppe von Menschen beim Malen

Soziale Kontakte hingegen halten die grauen Zellen fit. Bei Menschen, die in ihrem Leben viele Freundschaften pflegen, ist die graue Hirnsubstanz im Alter besser erhalten als bei den weniger geselligen.9,10 Zahlreiche Studien unterstreichen die positive Wirkung sozialer Kontakte, wenn es um die Vorbeugung von Demenzerkrankungen geht.13,14,15 Daher empfehlen Mediziner zur Demenzprävention ein aktives geistiges und soziales Leben.8

Dass ein Netzwerk aus Menschen, die zu uns passen, uns wertschätzen und unterstützen, die körperliche und geistige Gesundheit stärkt, belegt eine australische Studie mit fast 1.500 Teilnehmern im Alter von über 70 Jahren über einen Zeitraum von 10 Jahren.16 Auch amerikanische Forscher bestätigen, dass Menschen, die Freundschaften pflegen, eine höhere Lebenserwartung haben.17 Tatsächlich beeinflussen uns Freunde viel mehr, als wir vielleicht annehmen: Unser Gehirn gleicht seine Wellen – die Summe der elektrischen Aktivitäten der Großhirnrinde – messbar an die Hirnwellen jener Menschen an, mit denen wir uns umgeben, so dass unsere Denkweisen und Verhaltensmuster den ihren immer ähnlicher werden.18,19

Wählen Sie daher Wegbegleiter, die jene Eigenschaften und Gewohnheiten haben, die Sie selbst anstreben, und pflegen Sie Freundschaften mit Gleichgesinnten: Dann sind Glücksgefühle und positive Impulse vorprogrammiert.


Im Geiste jung bleiben – geht doch!


Unabhängig davon, ob Sie geistig topfit sind oder unter Gedächtnisstörungen leiden – werden Sie aktiv. Jeder kann etwas tun, um geistig beweglich zu bleiben und dem Alterungsprozess des Gehirns entgegenzuwirken. Gesunde Ernährung, vielseitige Hobbys, Freundschaften, körperliche Bewegung und „Gehirnjogging“ für die geistige Leistungsfähigkeit gehören ebenso dazu wie regelmäßige Entspannung. Probieren Sie’s aus und bleiben Sie dran!


1 https://deutsch.medscape.com Zugriff am 25.06.2019.

2 Verghese J, Lipton RB, Katz MJ, Hall CB, Derby CA, Kuslansky G, Ambrose AF, Sliwinski M, Buschke H. Leisure activities and the risk of dementia in the elderly.N Engl J Med. 2003 Jun 19;348(25):2508-16. Zugriff am 25.06.2019 unter https://www.ncbi.nlm.nih.gov

3 Sinclair AJ, Begg D, Mathai M, Weisinger RS. Omega 3 fatty acids and the brain: review of studies in depression. Asia Pac J Clin Nutr. 2007;16 Suppl 1:391-7. Zugriff am 25.06.2019 unter https://www.ncbi.nlm.nih.gov

4 Dekkers IA, Jansen PR, Lamb HJ. Obesity, Brain Volume, and White Matter Microstructure at MRI: A Cross-sectional UK Biobank Study. Radiology. 2019 Jul;292(1):270. Zugriff am 25.06.2019 unter https://pubs.rsna.org / https://www.aerzteblatt.de

5 Ngandu T, Lehtisalo J, Solomon A, Levälahti E, Ahtiluoto S, Antikainen R, Bäckman L, Hänninen T, Jula A, Laatikainen T, Lindström J, Mangialasche F, Paajanen T, Pajala S, Peltonen M, Rauramaa R, Stigsdotter-Neely A, Strandberg T, Tuomilehto J, Soininen H, Kivipelto M. A 2 year multidomain intervention of diet, exercise, cognitive training, and vascular risk monitoring versus control to prevent cognitive decline in at-risk elderly people (FINGER): a randomised controlled trial. Lancet. 2015 Jun6;385(9984):2255-63. Zugriff am 25.06.2019 unter https://www.ncbi.nlm.nih.gov

6 https://www.neuronation.de. Zugriff am 25.06.2019.

7 Risk reduction of cognitive decline and dementia: WHO guidelines. Geneva: World Health Organization; 2019. Licence: CC BY-NC-SA 3.0 IGO. Zugriff am 25.06.2019 unter https://www.who.int

8 Deuschl G, Maier W et al. S3-Leitlinie Demenzen. In: Deutsche Gesellschaft für Neurologie, Hrsg. Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. 2016. Zugriff am 25.06.2019 unter https://www.dgn.org (PDF)

9 Bittner N, Jockwitz C, Mühleisen TW, Hoffstaedter F, Eickhoff SB, Moebus S, Bayen UJ, Cichon S, Zilles K, Amunts K, Caspers S. Combining lifestyle risks to disentangle brain structure and functional connectivity differences in older adults. Nat Commun. 2019 Feb 6;10(1):62. Zugriff am 25.06.2019 unter https://www.nature.com

10 https://fz-juelich.de Zugriff am 25.06.2019.

11 https://www.biologie.de Zugriff am 25.06.2019.

12 Fancourt D, Steptoe A Television viewing and cognitive decline in older age: findings from the English Longitudinal Study of Ageing. Sci Rep. 2019 Feb 28;9(1):2851. Zugriff am 25.06.2019 unter https://www.researchgate.net

13 Livingston G, Sommerlad A, Orgeta V, Costafreda SG, Huntley J, Ames D, Ballard C, Banerjee S, Burns A, Cohen-Mansfield J, Cooper C, Fox N, Gitlin LN, Howard R, Kales HC, Larson EB, Ritchie K, Rockwood K, Sampson EL, Samus Q, Schneider LS, Selbæk G, Teri L, Mukadam N. Dementia prevention, intervention, and care. Lancet. 2017 Dec 16;390(10113):2673-2734.. Zugriff am 25.06.2019 unter https://www.thelancet.com

14 Crooks VC, Lubben J, Petitti DB, Little D, Chiu V. Social network, cognitive function, and dementia incidence among elderly women. Am J Public Health. 2008 Jul;98(7):1221-7 Zugriff am 25.06.2019 unter https://www.ncbi.nlm.nih.gov

15 Wilson RS, Krueger KR, Arnold SE, Schneider JA, Kelly JF, Barnes LL, Tang Y, Bennett DA. Loneliness and risk of Alzheimer disease. Arch Gen Psychiatry. 2007 Feb;64(2):234-40. Zugriff am 25.06.2019 unter https://www.ncbi.nlm.nih.gov

16 Giles LC, Glonek GF, Luszcz MA, Andrews GR. Effect of social networks on 10 year survival in very old Australians: the Australian longitudinal study of aging. J Epidemiol Community Health. 2005 Jul;59(7):574-9. Zugriff am 25.06.2019 unter https://www.ncbi.nlm.nih.gov (PDF)

17 Holt-Lunstad J, Smith TB, Layton JB Social Relationships and Mortality Risk: A Meta-analytic Review. PLoS Med. 2010 Jul 27;7(7):e1000316. Zugriff am 25.06.2019 unter https://journals.plos.org

18 Bevilacqua D, Davidesco I, Wan L, Chaloner K, Rowland J, Ding M, Poeppel D, Dikker S. Brain-to-Brain Synchrony and Learning Outcomes Vary by Student-Teacher Dynamics: Evidence from a Real-world Classroom Electroencephalography Study. J Cogn Neurosci. 2019 Mar;31(3):401-411. Zugriff am 25.06.2019 unter https://www.ncbi.nlm.nih.gov

19 https://www.dailymail.co.uk Zugriff am 25.06.2019.


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